Allergien – unterschätzte Plage auch bei Tieren

Sie sind recht weit verbreitet und vielfältiger Natur: Allergien bei Tieren. Eine mühsame Angelegenheit für Tier und Besitzer einerseits, ein hochinteressantes medizinisches Fachgebiet andererseits. Wie entsteht eine Allergie? Welche Auswirkungen haben die diversen Ausprägungen? Welches sind die geeigneten Behandlungsmethoden? Welche Tiere sind mehr oder weniger betroffen?

Text: Dr. med. vet. Danya Wiederkehr



Allergie heisst auf griechisch: «Fremdreaktion». Eine Allergie, sprich Hypersensitivität, ist eine Abwehrreaktion des Immunsystems des Körpers auf an sich harmlose, nicht krankmachende Umwelt­stoffe (Aller­gene). Da es eigentlich nichts zu bekämpfen gibt, schädigt die Immun­reaktion dadurch das körper­eigene Gewebe, was dann als allergische Reaktion angesehen wird. Zu den All­ergenen zählen Staub, Pollen, diverse Lebensmittel, Medikamente, mikrobiologische Stoffe, Chemikalien und Bestandteile oder Ausscheidungen von Insekten/Parasiten.

Typischerweise entstehen keine Symptome beim Erstkontakt mit einem Allergen. Es braucht eine Sensibilisierung (Aufbau einer spezifischen Immun­antwort), damit bei einem weiteren zweiten Kontakt eine Abwehrreaktion auftreten kann. Beim Erstkontakt wird das Allergen von spezialisierten Zellen aufgenommen und den Abwehrzellen präsentiert. Diese stellen in der Folge Anti­körper dagegen her, in der Regel Immunglobulin E (IgE). Beim Zweitkontakt erkennen die Abwehrzellen den «Fremdstoff» und reagieren sofort mit Antikörpern. Innerhalb von Sekunden bis Minuten folgt die allergische Reak­tion. So genannte Mastzellen ­werden stimuliert, Entzündungsmediatoren (entzündungsfördernde und -erhaltende Stoffe) aus­zuschütten: Histamine, Prostaglandine, Leukotriene, Proteasen, Zy­tokine und Chemokine. Die Folgen sind erhöhte Durchlässigkeit und Erweiterung der Gefässe und Stimulierung der Nervenendigungen, was als Juckreiz spürbar ist.

Manche allergischen Symptome wie Schnupfen, tränende Augen und Hautausschläge sind unangenehm, aber ungefährlich. Es gibt aber auch schwerwiegendere allergische Reaktionen wie Asthma und Zuschwellen des Halses bis hin zum anaphylaktischen Schock, die lebensbedrohlich sein können.

Während die meisten allergischen Reaktionen eher lokal beschränkt sind, betrifft der anaphylaktische Schock den gesamten Organismus. Zu spät erkannt, kann dies zum Tod führen. Ein Schock bei einer allergischen Reaktion wird durch die Ausschüttung von Entzündungsmediatoren ausgelöst. Dies führt zur Erweiterung und erhöhten Durchlässigkeit der Blutgefässe, dadurch fliesst zu viel Blut in die Gewebe der Arme und Beine, die inneren Organe dagegen sind unterversorgt. Auf eine solche Unterversorgung reagiert der Körper mit einer Zentralisierung des Blutkreislaufes. Als lebensrettende Reaktion des Organismus auf den hohen Blutverlust werden nur noch die wichtigsten Organe wie Herz, Lunge und Hirn ausreichend mit Blut versorgt. Bei längerem Anhalten dieses Zustandes können die Organe Schaden nehmen und der Kreislauf kommt nicht mehr in Gang, was zum Tode führen kann. Abhilfe schafft in der Regel eine Infusion, mit welcher der Blutkreislauf aufgefüllt wird was zwingend innerhalb der ersten Stunde nach Auftreten der allergischen Reaktion geschehen muss.

In der Medizin kennt man vier verschiedene Typen von Hypersensitivitäten (I-IV), bei der «Allergie» im umgangssprachlichen Sinn handelt es sich um eine Hypersensitivität des Typs I und/oder des Typs IV. Die Typen II und III werden als Autoimmunreaktionen/ -Erkrankungen angesehen und sind keine Allergien. Sie sind vermittelt durch die Immunglobuline G und M (IgG und IgM), diese reagieren gegen körpereigene oder/und körperfremde Antigene und bewirken eine Zerstörung des Gewebes und der Zellen.

Ein Überblick aller Allergieformen


Hypersensitivität Typ I: Die «klassische» Allergie
Die Typ-I-Allergie oder Soforttyp-Reaktion ist IgE-vermittelt. Es ist eine Sensibilisierung nötig. Die Reaktion erfolgt beim Zweitkontakt innerhalb von Sekunden bis wenigen Minuten. In einer späteren Phase «nach vier bis zwölf Stunden» erfolgt eine Einwanderung von Entzündungszellen ins betroffene Gewebe, wodurch dieses geschädigt wird.

Hypersensitivität Typ IV: Spättyp-Allergie
Die Spättyp-Allergie löst eine Aktivierung von zellschädigenden Lymphozyten (Weissen Blutzellen) aus, die auf zellgebundene Antigene reagieren und die betroffenen Zellen zerstören. Auch hier muss im Vorfeld eine Sensibilisierung stattgefunden haben.

Typische Erscheinungsbilder sind die Kontaktdermatitis, chronisches Asthma und Rhinitis.

Mögliche Therapien
Therapien bei Allergien sind oft lang­wierig (Desensibilisierung, Eliminations­diät) und leider häufig unbefriedigend, sie erfordern viel Geduld und Durchhaltevermögen vom Besitzer wie auch vom Tier. Häufig ist bereits die genaue Diagnose schwierig. Eine gute Abklärung beim Tierarzt und gegebenenfalls beim Tier-Dermatologen ist nötig.

Solange Tier und Besitzer gut damit leben können, sind Antihistamin- oder Kortisongaben bei saisonalen Allergien angebracht und vertretbar. Diese können aber zu Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Trägheit und Gewichtszunahme führen.

Bei Allergien gegen Flöhe und andere Insekten ist zusätzlich eine gute Prophylaxe wie Flohhalsband-/mittel zu empfehlen. Im Fall einer Futtermittelallergie ist eine genaue Abklärung «am besten beim Dermatologen» unerlässlich. Mit Hilfe einer Eliminationsdiät oder von Hauttests, die auch zur Abklärung einer Allergie gegen Pollen/Gräser dienen, können die Allergene bestimmt werden. Danach kann eine Desensibilisierung oder eine hypoallergene Diät in Form von Weglassen des Allergie auslösenden Futtermittels eingeleitet werden.

Bei der Eliminationsdiät werden alle Futtermittel, die bis anhin gefüttert wurden, weggelassen, damit das Tier zunächst symptomfrei ist. Danach werden nach und nach die einzelnen möglichen Allergene verabreicht, um das Protein/Futtermittel zu bestimmen, welches die Allergie verursacht.

Mit einer Desensibilisierung wird der Organismus schrittweise wieder an die Allergene gewöhnt zuerst mit kleinsten Dosen. Mit fortschreitender Behandlung werden immer grössere Dosen verabreicht. Dadurch gewöhnt sich der Körper langsam an den Kontakt mit der Substanz und reagiert nach einiger Zeit nicht mehr allergisch darauf.

Im Falle eines anaphylaktischen Schocks (Kreislaufkollaps, Atemnot, flacher Puls, Bewusstlosigkeit) ist die sofortige Notfallbehandlung mittels Antihistamin oder Infusion beim Tierarzt lebensrettend.


Tierspezifische Allergien

Allergien bei Tieren können in verschiedenen Formen auftreten, am häufigsten beschrieben sind Hautreaktionen, aber auch Asthma (Katze, Pferd) und Bronchitiden (Hund, Katze, Pferd) kommen vor. Am häufigsten sind Allergien bei Hund, Katze und Pferd bekannt, bei Nutztieren (Kuh, kleine Wiederkäuer, Schweine) sind sie eher selten. Am häufigsten manifestieren sich Allergien auf der Haut. Meistens werden sie durch Flohbisse oder Mückenstiche ausgelöst. Ebenso kommen Lebensmittel oder Magen-Darm-Parasiten als Grund in Frage.

Atopie
Atopie ist eine genetische Veranlagung, IgE zu produzieren und somit klinische Allergien gegen verschiedene Umweltstoffe auszulösen. Eine Atopie kann sich in der Haut als atopische Dermatitis wie auch in den Atemwegen in Form von Asthma oder Rhinitis manifestieren. Bei Tieren ist die Hautmanifestation jedoch weitaus häufiger und kommt bei Hunden, Katzen und Pferden vor. Wichtigstes und oft einziges klinisches Symptom ist Juckreiz.

Flohbiss-Allergie
Die Flohbiss-Allergie ist die häufigste Allergie beim Hund und kommt auch bei der Katze vor. Sie ist eine Mischung aus einer Typ-I- und einer Typ-IV-Hypersensitivität. Die Symptome treten meistens im Alter zwischen 3-5 Jahren auf, nur ganz selten bei Tieren, die jünger als 6 Monate sind. Es besteht keine Prädisposition einer Rasse oder eines Geschlechts. Betroffene Tiere haben häufig zusätzlich eine Atopie und/oder Futtermittelallergien. Flohbiss-Allergien treten bei uns eher saisonal in den Sommermonaten auf.

Symptome beim Hund sind juckende Rötungen, Quaddeln und Pusteln auf dem hinteren Teil des Rückens, den Flanken, den seitlichen Hinterschenkeln und manchmal am Bauch. Bei schwerwiegenden Fällen kann der ganze Körper betroffen sein. Durch das Kratzen der Haut treten häufig sekundäre Entzündungen und/oder Haarausfall auf.
Bei der Katze sind multiple juckende, gerötete Knötchen vorhanden. Sie weisen eine ähnliche Verteilung wie beim Hund auf, kommen aber zusätzlich auch in der Nackengegend vor. Sekundäre Entzündungen sind weit weniger häufig als beim Hund.

Oft sind im Fell betroffener Tiere keine Flöhe sichtbar, da ein einziger Flohbiss bereits eine Reaktion auslösen kann. Als Prophylaxe eignen sich Flohhalsband und -mittel. Bereits befallene Tiere werden mit einem speziellen Shampoo gebadet. Flöhe und Floh-Eier können sich in Hundebetten, in Betten von Besitzern, in Teppichen und Ritzen von Parkett-/Laminatböden befinden und sollten durch einen Kammerjäger bekämpft werden.

Cullicoides (Mücken)-Allergie bei Pferden
Die Cullicoides-Allergie (Sommerekzem) ist die häufigste allergische Dermatose des Pferdes. In der Schweiz tritt sie saisonal in den Sommermonaten auf, da Mücken warmes, feuchtes Wetter mit wenig Wind bevorzugen. Auch hier handelt es sich um eine gemischte Hypersensitivität vom Typ I und IV.

Symptome sind juckende knotige Er­hebungen an Kopf, Nacken, Ohren, Widerrist, Rücken und Schweifansatz oder auf der Unterseite des Kinns, an den Beinen und der Mitte des Bauches. Sie kommen selten bei Tieren unter 2 Jahren vor. Besser zu sehen sind die sekundären Veränderungen wie Krustenbildung, Haarausfall oder abgebrochene Haare, Veränderung der Pigmentierung und ein kurzer stoppeliger Schwanz («Rattenschwanz»), die durch intensives Kratzen entstehen.

Die Symptome heilen typischerweise über den Winter ab und treten im Frühling wieder auf. Oftmals verschlimmert sich die Krankheit mit dem Alter. Die betroffenen Tiere sind häufig ängstlich und rastlos. Die Diagnose stützt sich auf das saisonale Auftreten der Symptome in Kombination mit deren Lokalisation.

Mückenstichallergie der Katze
Symptome sind stark juckende Knötchen und krustige Entzündung der Haut, die symmetrisch an Nase, Ohrrändern und Pfoten lokalisiert sind. Es liegt eine Hypersensitivität des Typs I vor.

Urtikaria (Nesselsucht) und Angioödem
Am häufigsten kommt diese Allergie bei Pferden vor, seltener bei Hunden, sehr selten bei Katzen, Wiederkäuern und Schweinen. Die Urtikaria manifestiert sich in Form von zahlreichen, gut abgegrenzten, geröteten, plaqueartigen Schwellungen (Ödemen) mit flacher Oberseite und steilen Rändern (Angioödem: grössere, weniger gut abgegrenzte Schwellungen), die sich kühl anfühlen.

Auslöser können Lebensmittel, Medikamente, Insektenstiche und Antiseren, aber auch Hitze, Stress und Anstrengung sein. Ursache ist eine kombinierte Hypersensitivität der Typen I und IV.

Nahrungs-/Futtermittelallergie
Dies ist die dritthäufigste Hypersensitivität «ebenfalls Typ I und IV» bei Hunden, kann aber bei allen Tierarten vorkommen.

Die Reaktion richtet sich gegen natür­licherweise im Futter vorkommende Eiweisse. Es können sowohl Eiweisse einer Fleischart (Schwein, Rind, Geflügel), aber auch eines Getreides (Weizen, Roggen, Gerste) sein. Oftmals sind die Tiere in unterschiedlicher Stärke gegen mehrere Futtermittel allergisch. Therapieansatz ist eine Eliminationsdiät mit anschliessender Desensibilisierung.

Kontaktdermatitis
Diese Allergie ist ein Prototyp der Typ-IV-Hypersensitivität. Spezialisierte Zellen der Haut reagieren nach vorheriger Sensibilisierung auf direkten Hautkontakt mit einem Allergen, z.B. Halsband, Liegeunterlage. Die Symptome treten erst mehrere Stunden nach dem Kontakt auf (Spät-Typ).

Bei Tieren ist sie eher selten und dann meist an spärlich behaarten Stellen wie Nasenspiegel oder Bauchregion, da das Fell einen guten Schutz bietet.


Quelle: petfinder.ch
© Dr. med. vet. Danya Wiederkehr