Die Arbeit mit Drogenhunden ist eine Berufung

Ohne die Hilfe von Hunden wäre das Aufspüren von Drogen fast undenkbar. Und eine tiefe Verbindung zwischen Betäubungsmittelspürhund und Führer ist unabdingbar. Mehr als Beruf: «Berufung» nennen Drogenhundeführer ihren Job. Für den Ernsteinsatz üben sie regelmässig auch in öffentlichen Lokalen.


Text: Hans Peter Roth

Drogenhund

Erstaunt blicken sich die Gäste auf der Terrasse um. Wie aus dem Nichts sind mehrere Beamte aufgetaucht. «Ist etwas in der Bank nebenan passiert?», fragt eine Wanderin beim Kaffee besorgt. Mit Spürhunden an der Leine betreten die Polizisten ohne Zögern das Gasthaus. «Bei mir finden Sie nichts», albert ein junger Mann, während er an seinem Bierglas nippt. «Ich bin clean.» Tatsächlich stellt sich beim Nachfragen heraus: Im Landgasthof «Rothorn» im Berner Oberland sind an jenem Nachmittag Drogenhundeteams an der Arbeit.

Die Wirtin klärt die verwunderten Gäste auf: «Heute sind Hundeteams der Kantonspolizei bei uns am Üben», sagt Daniela Liebi, Besitzerin des Hotels und Landgasthofs, freundlich lächelnd in die Runde. Ein- bis zweimal jährlich kommen Beamte mit ihren Diensthunden ins Rothorn. Diesmal sind es 14 Hundeführer und 16 Drogenhunde. «Das Besondere zum Üben in einem Lokal wie hier ist die Nähe zur Realität», erklärt die Gastgeberin: «Es hat Menschen, es riecht nach Essen und es hat auch sonst verschiedenste Düfte und Gerüche, sei es oben im leeren Saal oder in den leeren Hotelzimmern, wo geübt wird. Von all diesen Eindrücken dürfen sich die Hunde nicht ablenken lassen.»

Schnüffeln, bis gefunden

«Anzeige!» Im Saal im oberen Stock sitzt ein Belgischer Schäfer vor einer Kommode und starrt hechelnd, aber ohne Laut gebannt auf die rechte Schublade auf seiner Kopfhöhe. Er hat das «Bringsel» gefunden, stellt sein Führer befriedigt fest. In der Schublade steckt ein kleiner Behälter mit Betäubungsmitteln wie zum Beispiel Heroin oder Kokain, der entsprechend riecht. Dieses «Bringsel» aber bekommt der Hund nie zu sehen. Stattdessen zaubert der Führer das Lieblingsspielzeug des treuen Tiers hervor, in diesem Fall einen kleinen Ball mit einem kurzen Seilstück daran.

«Damit ein Hund zum Betäubungsmittelspürhund ausgebildet werden kann, sind ein aussergewöhnlicher Spiel- und Beutetrieb unabdingbar», sagt Christoph Leuenberger, stellvertretender Leiter des Fachbereichs Diensthundewesen der Kantonspolizei Bern. «Dazukommt der unbegrenzte Wille, eine Beute zu suchen und zu finden.» Dieser Trieb werde dann bei der «Konditionierung» ausgenutzt: «Das heisst: Findet der Hund die Drogen, wird er mit seinem Lieblingsspielzeug sozusagen belohnt. Dadurch lernt er: Drogen finden bedeutet Spielen.»

Fast zwei Einsätze pro Tag

«Jeder Betäubungsmittelspürhund wird auf allen gängigen Drogenarten ausgebildet, erklärt Leuenberger weiter. «Dies liegt darin begründet, dass der Spürhund verborgene Substanzen anzeigen muss. Dabei ist meist nicht bekannt, welches oder welche Betäubungsmittel versteckt worden sind.» Und wie werden Hunde zum Drogenaufspüren abgerichtet? Die Geruchskonditionierung auf Betäubungsmittel erfolge ausschliesslich mittels «Bringsel » und auf einer sogenannten Anzeigewand, antwortet der Experte. «Für diese Erstkonditionierung wird ausschliesslich Echtstoff, also echte Betäubungsmittel, verwendet. Auf der Anzeigewand hat der Hund die Möglichkeit, durch ein präpariertes Loch hindurch den Stoff zu riechen.» Mit dem Behältnis, das die Betäubungsmittel birgt, komme der Hund indessen nie in direkten Kontakt, betont Leuenberger.

Die Drogenhundeteams trainieren jeden Monat an drei Halbtagen. Dazukommt eine Woche Wiederholungskurs pro Jahr. Am häufigsten werden als Rassen zum Erschnüffeln von Drogen der Labrador aus jagdlicher Leistungszucht, der Belgische Schäferhund (Malinois) sowie der Deutsche Schäferhund eingesetzt. Im Jahr 2015 leisteten Betäubungsmittelspürhunde allein im Kanton Bern rund 500 Einsätze; 2016 waren es sogar rund 620, also im Schnitt fast zwei Einsätze pro Tag.

Tiefe Verbindung

Eines wird an jenem Nachmittag beim Übungseinsatz im «Rothorn» deutlich: die tiefe Verbindung der Diensthundeführer mit ihren treuen vierbeinigen Gefährten. «Das ist unser Leben», bestätigt Leuenberger: «Ohne Herzblut geht das nicht. Unsere Diensthundeführer investieren sehr viel Zeit in die Arbeit mit ihren Hunden, auch und gerade in der Freizeit.» Denn obschon die Hunde eigentlich der Kantonspolizei Bern und damit dem Kanton Bern gehören, sind die Hundeführer dennoch ihre Besitzer. «Entsprechend leben die Hunde bei ihnen. In der Freizeit; in den Ferien – immer. » So ist für Christoph Leuenberger klar: Die Funktion des Diensthundeführers ist mehr als ein Beruf: «Sie ist eine Berufung.»

Quelle: weltdertiere.ch

© Hans Peter Roth ist freier Journalist, Geograf und Buchautor.