Einmal Jäger, immer Jäger

Wir leben unter einem Dach, kuscheln gemeinsam auf dem Sofa, verstehen einander aber kaum. Das Zusammenleben zwischen Mensch und Katze bleibt trotz all seiner Innigkeit rätselhaft. Warum etwa macht sich das Büsi noch die Mühe, zu jagen? Bekommt es doch sein Fressen frei Haus geliefert.

Text: Daniela Poschmann

Jaeger

«Haben Katzen Freigang, fressen sie mehrmals am Tag eine Maus – sofern sie eine fangen. Die Jagd ist ihnen sehr wichtig,» sagt die Tierpsychologin Katharina Prevodnik, die in Winterthur die Praxis AnimalSoul führt. Unter optimalen Bedingungen sogar so wichtig, dass sie in freier Wildbahn stündlich ein Tier erlegen. Definitiv zu viel für den Magen einer Katze, der höchstens die Grösse einer Faust einnimmt. Hunger kann also nicht das Motiv sein.

Ist es etwa pure Spiel-Laune? Schliesslich lässt sich oft beobachten wie der Hauspuma eine gefühlte Ewigkeit mit seinem Opfer spielt. Zuerst schnappt er die Maus, lässt sie dann ein Stückchen entwischen, nur um ihr im nächsten Moment wieder den Fluchtweg zu versperren und mit der Pfote nach ihr zu tapsen. Das geht so lange hin und her, bis entweder die Maus ein rettendes Loch gefunden oder die Katze ihr das Genick gebrochen hat. Ist das berühmt-berüchtigte Katz-und-Maus-Spiel also die Erklärung für eine solche hohe Beute-Schlagzahl? Eher nicht. Für die Katze ist es nämlich kein Spiel. Einige Experten gehen davon aus, dass sie viel eher mit sich ringt, nicht genau weiss, was sie mit ihrer Beute anfangen soll. Vielleicht ahnt sie, dass sie ihr nicht schmeckt – wie etwa bei Spitzmäusen der Fall. Vielleicht wehrt sich die Beute aber auch. Andere sprechen von einem Tanz, um die Anspannung der Jagd abzubauen. Und wieder andere meinen, es handelt sich um Training. Darunter auch Robert Zingg vom Zoo Zürich. «Die Muttertiere bringen ihren Jungen die Beute lebendig, um die Jagd zu trainieren», sagt der Wildkatzen-Experte. Ausserdem machen die Katzen ihre Beutetiere so müde und verringern damit ihr eigenes Verletzungsrisiko. Denn zumindest in der Natur haben sie nicht selten Hörner oder andere Waffen, mit denen sie ihre Angreifer verletzen können.

Hauskatzen jagen, während Raubkatzen schlafen

Spiel-Laune ist also nicht das Motiv für die hohe Beute-Schlagzahl. Ein Blick in die Natur verrät die Lösung: Katzen fressen am liebsten kleine, über den Tag verteilte Portionen. Und da sie nicht über Kühlschränke, Tupperdosen und andere Aufbewahrungsmöglichkeiten verfügen und zudem Frischfleisch bevorzugen, müssen eben viele Mäuse oder Vögel dran glauben.

Einen entscheidenden Unterschied zur Natur gibt es allerdings: Der gemeine Sofalöwe jagt vor allem am helllichten Tag, während seine wild lebenden Artgenossen sich noch im Schatten einer Akazie ausruhen. Lediglich ein Fünftel der Beute wird in der Dämmerung erlegt, was vermutlich auf die Domestikation zurückzuführen ist. Die Katze hat sich auf den Tag-Nacht-Rhythmus der Menschen eingestellt. Dabei sind die Morgen- und Abendstunden eigentlich die Zeit, in der die Stubentiger dank des sogenannten Tapetum lucidum am besten sehen. Eine reflektierende Schicht, die sich hinter der Netzhaut des Auges befindet und das Licht, das die Netzhaut bereits durchdrungen hat, noch einmal zurückspiegelt, sodass es ein zweites Mal auf die Retina trifft. Ein Phänomen, das so manches Foto ruiniert. Denn wenn das Büsi einen mit leuchtenden Augen anguckt, ist es plötzlich gar nicht mehr so niedlich.

Spielerisch durch die Wohnung jagen

Gejagt wird übrigens allein. Und nicht selten verharrt so manche Katze mehrere Stunden vor einem Mauseloch, um dann blitzschnell zuzuschlagen. Und um weiterhin die Beutetiere überraschen zu können, wechseln die Vierbeiner in der Natur hin und wieder ihre Reviere. Am Beispiel des Luchses, der erst seit den 1970er-Jahren wieder in der Schweiz zu finden ist, verdeutlicht Zingg diese Vorgehensweise: «Der Luchs ist im Alpenraum ansässig und sein Territorium ist heute mit rund 200 Hektar doppelt so gross wie zu Beginn seiner Ansiedelung.» Ebenso wie die Hauskatze ist der Luchs ein sogenannter Ansitz- oder Lauerjäger. Beide warten an für Wildwechsel bekannten Orten, bis sich ein Opfer nähert, und schnappen es sich mit einem kurzen, aber extrem schnellen Sprint. Manchmal ähnelt die Hauskatze aber auch eher einem Löwen, der aktiv auf die Suche geht und sich anschleicht. Eine Taktik, die sich ebenso in den eigenen vier Wänden nachahmen lässt. Katharina Prevodnik sagt: «Um das Indoor zu simulieren, gibt es diverse Spiele. Hier ist es unerlässlich, dass der Mensch mitspielt und beispielsweise kleine Leckerli oder Bällchen durch einen Gang rollt. Gut geeignet sind auch Angeln mit Federn dran. Wer mag, kann auch ein Stück Rindsherz als Beute an eine Schnur binden. Auch kann man an diversen Stellen Futter verstecken.» Zudem gibt es im Handel sogenannte Fummelbretter, die auf der Strategie der Lauerjagd basieren und bei denen das Büsi geistig gefordert wird. Denn es muss so manche Hürde überwinden, um sich ein Leckerli zu angeln. So ist die Katze beschäftigt und die Möbel und Pflanzen bleiben unversehrt.

Quelle: weltdertiere.ch

©  Daniela Poschmann ist als freie Journalistin tätig und hat sich auf das spannende Themenfeld «Natur und Tiere» spezialisiert.