Spürnasen im Wettlauf gegen den weissen Tod

Sie sind jederzeit bereit zum Einsatz. Rund 80 Lawinenhundeführer und ihre Vierbeiner helfen in allen Bergregionen der Schweiz mit, Leben zu retten – oft unter schwierigsten Bedingungen.


Text: Hans Peter Roth

Lawinenhund

«Vier Skifahrer wurden von einer Lawine verschüttet!» Die Meldung des Einsatzleiters auf einer verschneiten Alp im Berner Oberland elektrisiert den Lawinenhundeführer: Jetzt bloss keine Zeit verlieren. Labradorrüde Charly ist aufgeregt. Zielstrebig schreitet der Hundeführer auf Tourenskis zum Einsatzgebiet und lässt den Begleiter von der Leine: «Such, Charly!» Mit gesenktem Kopf stöbert der Hund durch den Schnee. Der Meister gibt immer wieder neu die Richtung vor, um das betroffene Gebiet systematisch abzusuchen.

Jede Minute zählt

Plötzlich nervöses Gebell. Charly beginnt zu graben. Sofort eilt der Führer herbei. «Der Hund zeigt einen möglichen Fund an», meldet er über Funk: «Schickt einen Schaufler hoch!» Schon verschwindet Charly in den Schneemassen. Nun gräbt ein Schaufler mit. Tatsächlich – ein Verschütteter. Weiterer Funkverkehr: «Gefundene Person ist ansprechbar! Benötigt medizinische Betreuung.» Noch während des Funkspruchs lugt ein Kopf aus der Schneemasse. «Danke für die Rettung! » Munter steigt der angeblich Verschüttete aus der Schneehöhle. Zum Glück ist dies nur eine Übung. Bei der anschliessenden Manöverkritik wird unter anderem die Laufrichtung unter Einbezug der Windrichtung, die Führung des Hundes sowie die Organisation der Rettungsmassnahmen beurteilt.

Zusammenspiel ist alles

«Im Ernstfall muss alles sehr schnell gehen», sagt Michael Nydegger, Hundeverantwortlicher der Alpinen Rettung Bern. «Der Erfolg einer Suche hängt neben den technischen Fähigkeiten des Hundeführers zu einem grossen Teil von der Ausdauer, Konzentration und Spürnase seines vierbeinigen Freundes ab.» In der Nähe des Übungsgebietes warten dem Wind ausgesetzt sieben weitere Hunde mit ihren Führern auf Sucheinsätze. «Die erschwerten Wetterbedingungen mit Schneefall und Wind entsprechen durchaus dem Ernstfall», erklärt Michael Nydegger. Je besser das Gespann ausgebildet und aufeinander eingespielt ist, desto schneller und zielstrebiger führt die Suche zum Erfolg. Junghunde suchen mit ebenso viel Eifer wie ihre erfahrenen Gefährten, nur lassen Ausdauer und Konzentration schneller nach.

Retter für Verschüttete und Vermisste

Rettungshundeteams werden in der Schweiz durch die Alpine Rettung Schweiz (ARS) ausgebildet. Die Stiftung ist getragen von der Rega und dem Schweizer Alpen-Club. Ausgebildete ARS-Rettungshundeteams werden als effiziente Suchhilfe (Ortungshilfe) für Personen eingesetzt, die entweder durch Lawinen verschüttet (ARS-Lawinenhundeteams) oder in unwegsamem Gelände (ARS-Geländesuchhundeteams) vermisst werden. Die Ausbildungen sind zeitlich sehr aufwändig und erfordern ein mehrjähriges Training, bis die Einsatzfähigkeit erlangt wird. Wer sich für die Ausbildung zum Lawinenhundeteam interessiert, muss die entsprechenden Zulassungskriterien erfüllen. Der Hundeverantwortliche des jeweiligen Regionalvereins schafft die Verbindung zur Hundegruppe und informiert über die Ausbildungsmodalitäten. Wer den Eintrittstest erfolgreich absolviert, ist zum Ausbildungslehrgang zugelassen.

Siehe auch www.alpinrettung.ch

Übung macht den Meister

Bevor Hund und Mensch ihre Ausbildung absolvieren, müssen sie den kynologischen Eintrittstest der Alpinen Rettung Schweiz bestehen. Dann folgt der erste Ausbildungskurs. Darin lernt der Hund, den im Schnee eingegrabenen Führer und später eine Fremdperson zu suchen. Viel Lob und zur Belohnung etwa ein Stück Cervelat führen zu Lernerfolg und Suchmotivation. «Der Hund muss Freude an der Arbeit haben», sagt Michael Nydegger. «Druck ist kontraproduktiv.»

Ein Jahr später folgt der zweite Ausbildungskurs. Das Gespann lernt, mehrere Personen und Gegenstände auf einem grösseren Einsatzgelände aufzuspüren. Nun sind Hund und Führer einsatzfähig. Alljährlich müssen vier Tagesübungen absolviert werden. Zusätzlich findet im dritten Jahr ein Bestätigungskurs statt, der alle zwei Jahre wiederholt wird. Zur zeitaufwändigen Ausbildung eines Lawinenhundes muss der Hundeführer auch die Kosten für sein Tier und das benötigte Einsatzmaterial selber tragen. Damit ist klar: Nur wer top motiviert, erfahren und belastbar ist und mit dem Hund ein eingespieltes Team bildet, wird zum Lawinenhundeführer.

Quelle: weltdertiere.ch

© Hans Peter Roth ist freier Journalist, Geograf und Buchautor.

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