Zoonosen – zwischen Mensch und Tier übertragbare Krankheiten

Zoonosen sind Krankheiten und Infektionen, die natürlicherweise zwischen Wirbeltieren und Mensch übertragen werden, so die Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO. Die Übertragung geschieht durch Viren, Bakterien, Parasiten oder Pilze. Diese können durch direkten Kontakt zwischen Mensch und Tier – direkte Zoonose –, über Vektoren wie Mücken und Zecken, aus der Umwelt – Saprozoonose – oder durch den Verzehr tierischer Produkte wie Milch oder Fleisch weitergegeben werden.



Eine Zoonose kann vom Tier auf den Menschen übertragen werden (Zooanthroponose), vom Menschen auf das Tier (Anthropozoonose) oder in beide Richtungen (Amphixenose). Die Erreger können bei Mensch und Tier dieselben Symptome auslösen, wobei sich die Krankheit trotzdem stark unterscheiden kann. Einen Spezialfall stellt die Transmissible Spongiform Encaphalopathy (TSE) dar, zu der BSE und Scrapie gehören. Deren Erreger sind übertragbare Proteine, die so genannten Prionen (Proteinacious infectious particle).

Viren

Viren bestehen aus einer Hülle, die mit Erbmaterial – DNA oder RNA – gefüllt ist. Da sie keinen Stoffwechsel aufweisen, werden sie nicht zu den Lebewesen gezählt. Viren benutzen die Wirtszellen, um ihr Erbgut zu vervielfältigen, wobei die infizierte Zelle zerstört wird. Um das Erbmaterial in die Zellen einzupflanzen, binden Viren an die Rezeptoren auf der Zellwand. Diese unterscheiden sich in Art und Verteilung von Tierart zu Tierart, daher sind Viren meistens wirtsspezifisch und es gibt nur wenige Zoonosen. In der Tabelle auf der nächsten Seite sind die weltweit wichtigsten aufgeführt. Influenza und Tollwut werden nachgehend genauer besprochen.

Influenza (Grippe)
Die Influenza ist ein sogenanntes Orthomyxovirus. Die für die Ansteckungsgefahr wichtigsten Bestandteile der Hülle sind 9 verschiedene Neuraminidasen (N) und 16 Hämagglutinine (H). Daraus ergeben sich verschiedene Zusammensetzungen wie beispielsweise H5N1 (Vogelgrippe). Für diese Hüllenproteine besitzt jedes Tier unterschiedliche Rezeptoren in Rachen- und Luftröhrenschleimhaut, daher ist das Influenzavirus je nach Zusammensetzung mehr oder weniger wirtsspezifisch. Grippeviren können die Zusammensetzung ihrer Hülle schnell ändern, daher muss jedes Jahr eine neue spezifische Impfung gegen den aktuellen Virusstamm entwickelt werden. Die Ansteckungsgefahr für den Menschen durch das Tier ist jedoch sehr gering und kommt meist nur bei engem Kontakt vor. Zum Beispiel hat in Asien das Halten von Hühnern in der Wohnung zu Ansteckungen von Menschen mit der Vogelgrippe geführt. Ansteckungen von Mensch zu Mensch sind hingegen nur möglich, wenn die Vogelgrippe-
Viren mutieren. Solche Mutationen (Veränderungen der H-N-Zusammensetzung) entstehen in sogenannten «Mixing Vessels» (Mischgefässe), zu welchen das Schwein gehört. Dieses besitzt sowohl Rezeptoren für vogel- wie auch für menschenspezifische Influenzaviren. Deshalb ist im Schwein eine Rekombination beider Viren möglich.

Influenza A befällt vor allem Menschen, aber auch andere Säuger, Vögel und Nager. Influenza C hingegen ist nur beim Menschen und beim Schwein krankheitserregend.

Tollwut
Die Krankheit wird durch ein Rhabdo­virus, das Rabiesvirus, ausgelöst. Das Virus vermehrt sich in den Speicheldrüsen, die Übertragung erfolgt durch Bisse. Von den Speicheldrüsen gelangen die Viren entlang der Nerven in das Gehirn, wo sie Gehirnzellen befallen und so eine Hirn- und Hirnhautentzündung auslösen. Zu den Symptomen gehören bei Tier und Mensch aggressives Verhalten, Schäumen des Speichels, Lichtempfindlichkeit und Unfähigkeit zu schlucken (Hydrophobie). Bei Kühen und anderen Wiederkäuern kommt eine so genannte «stille Wut» vor, das heisst, sie zeigen keine typischen Symptome, daher sind sie auch häufige Ansteckungsquellen für Tierärzte und Bauern.

In der Schweiz gilt die Tollwut aufgrund flächendeckender Impfung und rigoroser Kontrollen an den Grenzen als ausgerottet, daher muss ein Haustier, das in der Schweiz bleibt, auch nicht mehr gegen Tollwut geimpft sein. Da sie aber in umliegenden Ländern nach wie vor existiert, besteht eine Impfpflicht bei Ein- und Ausfuhr von Tieren.

Hauptüberträger der Tollwut in Europa ist der Fuchs.


Bakterien
Bakterien sind für viele Krankheiten bei Mensch und Tier verantwortlich und können auch häufig direkt zwischen Individuen übertragen werden. Es existieren unzählige Bakterienarten mit Zoonosepotenzial, daher nachfolgend nur ein paar ausgewählte wichtige Erkrankungen.

Burkholderia mallei – Rotz
Es handelt sich um eine eitrige Infektion der Atemwege bei Pferden, die häufig tödlich endet. Die Krankheit ist auf den Menschen übertragbar und hat in früheren Zeiten oft zu tödlichen Infektionen von ganzen Regimentern – Pferd und Reiter – geführt. Die Symptome sind bei beiden ähnlich. Rotz gilt in der Schweiz als ausgerottet, den letzten Verdachtsfall hierzulande gab es nach einem Rotzausbruch im Libanon 2011.

Escherichia coli
Diese Keime sind normalerweise harmlos und kommen natürlicherweise im Darmtrakt von Mensch und Tier vor. Einige davon sind aber pathogen (=potenziell krankmachend) und können zu Durchfallerkrankungen und Ödembildung führen. Zu den humanpathogenen (=potenziell krankmachend für den Menschen) gehören vor allem die so genannten EHEC (Enterohämolytischen E. coli), die hämorrhagische Kolitis (Blutige Dickdarmentzündung) und hämorrhagisches urämisches Syndrom (HUS) auslösen. Durch mehrere Fälle von HUS bei Kindern in Deutschland haben sie letztes Jahr traurige Berühmtheit erlangt. Schuld daran waren mit EHEC verseuchte Sojasprossen.

Salmonellen
Vor allem Salmonella typhimurium und S. enteritidis führen bei Mensch und Tier zu starken Durchfallerkrankungen und Darmentzündungen. Die Erreger sind häufig auf Hühnerfleisch und Eiern zu finden, was bei der Zubereitung von Speisen zur Kontamination von Gemüse und Salat führen kann. Deshalb sollte man nie Huhn und Gemüse mit demselben Messer und auf derselben Unterlage schneiden. Durch Kochen werden die Salmonellen abgetötet.

Heutzutage werden immer häufiger Reptilien als Haustiere gehalten, diese weisen natürlicherweise Salmonellen auf der Haut auf. Vorsicht ist geboten beim Streicheln oder Küssen der Tiere. Gründliches Händewaschen nach jedem Kontakt wird unbedingt empfohlen.


Yersinien
Man kennt drei Arten von Yersinien: Y. enterocolitica, Y. pseudotuberculosis und Y. pestis. Die ersten beiden sind enteropathogen (Darmerkrankung auslösend) und führen zu Durchfall­erkrankungen, wobei es sich meistens um Lebensmittelinfektionen handelt. Der dritte ist der Erreger der Beulen- und Lungenpest, die durch mehrere Pandemien im 6. Jahrhundert, im Mittelalter und im 18. bis 20. Jahrhundert Millionen von Menschen im europäischen Raum dahingerafft hat. Die Pest ist bis heute nicht ausgerottet, kommt aber dank guter Hygiene und Antibiotika in unseren Breitengraden nur noch selten zum Ausbruch. Grössere Epidemien gab es 1994 in Indien mit 56 und 2006 im Kongo mit 100 Toten. Die letzten bekannten Ausbrüche geschahen in Madagaskar und Uganda 2008 sowie in China 2009. Es waren aber jeweils nur wenige Menschen betroffen.

Yersinia pestis wird durch den Biss des Rattenflohs übertragen, das Reservoir des Erregers sind Nagetiere. Dringen die Erreger durch das Blut bis in die Lunge vor, kommt es zu einer Lungenentzündung (Lungenpest). Diese kann dann über Tröpfchenbildung von Mensch zu Mensch übertragen werden. In den Pestgebieten sind auch Haustiere gefährdet, vor allem Kamele und Katzen, aber auch Hunde und andere Fleischfresser sowie Wiederkäuer.

Staphylokokken und Streptokokken
Beide sind weitverbreitete Keime, die natürlicherweise auf der Haut und teilweise im Rachenraum von Mensch und Tier vorkommen. Sie besiedeln sekundär Wunden und führen zu Eiterbildung. Eine Infektion durch Lebensmittel ist ebenfalls möglich. Gewisse Streptokokken kommen eher beim Menschen vor, wobei sich Tiere beim Menschen anstecken können.

Clostridien
Clostridien sind sporenbildende Stäbchenbakterien. Es existieren sehr viele verschiedene Stämme, die bei Tieren und auch Menschen durch Infektion von bestehenden Wunden häufig Unterhautödeme verursachen, beispielsweise Rauschbrand oder Wundgasödeme. Spezialfälle sind Tetanus (Wundstarrkrampf) und Botulismus. Beide Erkrankungen werden durch die Toxine der Bakterien ausgelöst. Diese verursachen starke Krampfanfälle beim Tetanus oder schlaffe Lähmung beim Botulismus. Beide Erkrankungen führen zum Tod durch Ersticken, da die Atemmuskulatur nicht mehr arbeitet. Botox (Botulinumtoxin), welches sich einige Leute aus Eitelkeit spritzen lassen, wird aus dem Bakterium Clostridium botulinum gewonnen.

Listerien
Listeria monozytogenes ist ein obligat intrazellulärer Erreger. Obligat intrazellulär bedeutet, dass sich Bakterien ausschliesslich innerhalb einer Wirtszelle vermehren. Bei Schaf, Ziege und Rind führt dieses Bakterium zu Hirnhaut­entzündungen (Encephalitis). Die Krankheit kann direkt von Tier zu Mensch übertragen werden, was zu Horn- und Bindehautentzündungen (Konjunktivitis) und Schädigungen der Haut führt. Listerien sind psychrophil, das heisst, sie können sich im Kühlschrank bei vier bis fünf Grad vermehren. Daher werden sie häufig beim Verzehr von Lebensmitteln aufgenommen und führen dann beim Menschen ebenfalls zu Hirnentzündungen. Pasteurisieren tötet Listerien zuverlässig ab, bei Rohprodukten wie Milch, Fleisch oder Käse ist aber Vorsicht geboten.

Mykobakterien-Tuberkulose
Dazu gehören drei grössere Gruppen: die Tuberkulose-Erreger (M. tuberkulo­sis, M. bovis), die Erreger tuberkulose­ähnlicher Erkrankungen (M. avium
sp. intracellularis) und der Erreger der Lepra (M. leprae). Durch die flächen­deckende Impfung in den 70er Jahren galt die Tuberkulose bei uns als eingedämmt. Bis heute kommen aber auch in der Schweiz immer wieder Tuber­kulosefälle vor. Häufig sind ältere oder kranke (immunsupprimierte) Menschen betroffen. Bei Früherkennung ist die Krankheit mit Antibiotika gut behandelbar.

Die Lepra ist eine Ausnahme, da die Krankheit natürlicherweise nur beim Menschen und beim neunbändrigen Gürteltier vorkommt. Der Übertragungsweg ist unbekannt.

bandwurm


Bandwürmer haben den Menschen als Endwirt. Dieser scheidet täglich Segmente des Bandwurms aus, dessen Eier somit in die Umwelt gelangen. Rinder oder Schweine nehmen die Eier über die Nahrung auf. Im Zwischenwirt siedeln sich die Eier in der Muskulatur ab. Bleibt der Befall des Tieres unbemerkt, kann sich der Mensch über den Verzehr von ungenügend gekochtem Fleisch infizieren – der Kreislauf beginnt erneut.

Pilzinfektionen – Mykosen
Es existieren über 50'000 Pilze auf der Welt, davon können aber nur rund 200 potenziell Krankheiten auslösen. Klinisch werden Mykosen in primär (Befall beim gesunden Individuum), opportunistisch (Befall bei einem geschwächtem Immunsystem), subkutan (Unterhaut) und kutan (Haut) eingeteilt. Die kutanen Pilzinfektionen sind die einzigen, die man zu den direkten Zoo­nosen zählen kann. Sie bewirken Hautausschläge und können durch direkten Kontakt vom Tier auf den Menschen sowie umgekehrt übertragen werden. Primäre, opportunistische und subkutane Mykosen sind meist nicht übertragbar, aber sie lösen identische Krankheiten bei Tier und Mensch aus.

Parasiten
Laut Definition leben Parasiten in oder auf einem Wirt, mit der Fähigkeit, diesem zu schaden. Generell wird zwischen Protozoen (Einzeller, Urtiere), Helminthen (Würmer) und Arthropoden (Gliederfüsser) unterschieden.

Viele Parasiten durchlaufen komplexe Zyklen mit oft mehreren verschiedenen Wirten. Der Mensch ist bei Zoo­nosen im Wirtszyklus als End-, Zwischen- oder Fehlwirt involviert. Ein Wirt, der zufällig befallen wird und in dem eine Weiterentwicklung oder von dem aus eine weitere Fortsetzung des Entwicklungszyklus unmöglich ist, wird als Fehlwirt bezeichnet. Parasiten können im Fehlwirt zu besonders schweren Erkrankungen führen, weil der Parasit in manchen Fällen weniger gut an seinen Wirt adaptiert ist.

Toxoplasma gondii
Toxoplasmose ist eine weltweit verbreitete Zoonose. Die Krankheitshäufigkeit in der Bevölkerung liegt bei bis zu 80%. Katzen sind die Endwirte, anstecken können sich aber fast alle Säugetiere und auch Vögel. Forschungen haben ergeben, dass infizierte Nager ihr Verhalten ändern und keine natürliche Scheu vor Katzenduft mehr zeigen. Oft wurde auch behauptet, Menschen mit Toxoplasmenzysten im Gehirn würden ebenfalls ein risikofreudigeres Verhalten zeigen, bis jetzt konnte dies aber wissenschaftlich nicht belegt werden.

Besondere Vorsicht ist während der Schwangerschaft geboten, weil Toxoplasmen durch die Plazenta auf den Fötus übertragen werden. Dies kann zu Missbildungen, Augenschäden und anderen Erkrankungen führen. Hat sich die Mutter bereits einige Zeit vor der Schwangerschaft angesteckt, sind beide durch das Immunsystem geschützt.

Echinokokken – Fuchs- und Hundebandwurm
Die Würmer befallen den Darmtrakt der Endwirte, zu denen Hund, Fuchs und andere Kaniden gehören. Die Wurmeier im Kot der Tiere sind für den Zwischen- und Fehlwirt infektiös. Der Mensch ist Fehlwirt. Die Parasiten nisten sich in Organen ein und bilden dort Zysten, was zu schweren Organveränderungen
führt. Am häufigsten ist die Leber betroffen. Die Feldmaus ist Zwischenwirt
und somit Übertrager des Fuchsbandwurms (E. multilocularis) auf den Fuchs bzw. Hund. Hunde, die viele Mäuse fangen und fressen, sollten daher häufiger entwurmt werden.

Zwischenwirt des Hundebandwurms (E. granulosus) sind Paarhufer wie Schafe, Schweine oder Ziegen. Da in unseren Breitengraden häufig industriell verar­beitetes Hundefutter oder gekochtes Fleisch gefüttert wird, kommt dieser seltener vor. Mit dem Trend des Barfings, also der Rohfleischfütterung, ist die Infektionsgefahr wieder gestiegen.


Quelle: weltdertiere.ch

Referenzen:
Medizinische Mikrobiologie, Infektions-und Seuchenlehre, Rolle, Mayr; 7. Auflage, Enke Verlag, ISBN 3-7773-1795-0

Medizinische Mikrobiologie, Kayser,
Bienz, Eckert, Zinkernagel, 10. Auflage, Thieme Verlag, ISBN 3-13-444810-6

Robbins and Cotran Pathologic Basis of
Disease, 8th ed., by Kumar, Abbas, Fausto and Aster. Saunders Elsevier, Professional Edition, 2010, ISBN-10: 1416031219