Wenn Mensch und Tier gestresst sind

Heute leben unsere Haustiere sehr viel enger mit uns zusammen, als dies früher der Fall war. Sie haben nur noch selten einen «Job» wie beispielsweise auf dem Hof Mäuse fangen oder das Haus bewachen. Sondern sie leben mit uns Menschen, weil wir sie mögen. Und das tut zumeist ihnen als auch uns seelisch gut. Was aber, wenn einer von beiden – Mensch oder Tier – ins mentale Ungleichgewicht kommt? Welche Wechselwirkungen kann dies auslösen? Ein aktueller Erfahrungsbericht von Dr. med. vet. Dunya Reiwald.


Aufgezeichnet von: Inken Rehburg

Wenn Mensch und Tier gestresst ist

Rösli ist eine wunderschöne dreifarbige europäische Hauskatze. Als ihre Besitzer sie zu mir in die Praxis brachten, da hatte sie einen kahlen wunden Bauch. Sie schleckte sich dort seit einigen Monaten intensiv und riss sich inzwischen auch die Haare in diesem Bereich heraus. Auch frass sie schlechter als bisher und zog sich verstärkt zurück. Als Erstes galt es, organische Ursachen auszuschliessen. Aber alle schulmedizinischen Untersuchungen verliefen negativ. Organisch fehlte Rösli nichts. Nun sind mir schon Fälle von Katzen begegnet, die sich aus psychischen Gründen die Haare ausreissen, allerdings tritt dies in erster Linie bei Wohnungskatzen auf. Rösli aber hatte jederzeit die Möglichkeit, nach draussen zu gehen.

Bei der Anamnese mit beiden Besitzern, einem Ehepaar, sprachen wir natürlich nicht nur über die Samtpfote, sondern auch über das Familienleben mit Katze generell. Und dabei erfuhr ich, dass der Mann vor sechs Monaten befördert worden war. Und diese Beförderung war für ihn erst einmal mit Stress verbunden: Er musste einiges lernen, er hatte nun Personalverantwortung und seine Kollegen mussten sich auch erst einmal an seine neue Rolle gewöhnen. Kurz: Er war sehr unter Druck. Sein Stress war für mich ein deutlicher Anhaltspunkt. Denn wenn wir gestresst sind, so spüren unsere tierischen Mitbewohner dies häufig. Der Stress überträgt sich auf sie. Ich gab Rösli ein homöopathisches Mittel und bat die Besitzer um Rückmeldung. Diese erfolgte nach einigen Wochen: Rösli ginge es insgesamt besser, aber nach wie vor riss sie sich die Haare aus. Ich verordnete eine beruhigende Calendulasalbe und gab ein anderes homöopathisches Mittel, da das erste Mittel nicht wie von mir gewünscht gewirkt hatte.

Nach einiger Zeit riefen mich die Besitzer an: Rösli ginge es wieder schlechter, vor allen Dingen frass sie wieder weniger. Beruflich sei inzwischen alles gut, allerdings würde der Zustand der Katze nun die Besitzer belasten, sie sorgten sich so sehr um sie. In einem langen Gespräch gelang es mir, Herrchen und Frauchen zu beruhigen. Denn ich erläuterte ihnen, dass es immer noch die Möglichkeit geben würde, dem Tier mit Psychopharmaka zu helfen, sollte die homöopathische Behandlung nicht anschlagen. Denn manchmal ist die Lebenskraft der Tiere zu schwach, um die Impulse der Homöopathie umsetzen zu können. Und mir wurde klar, dass das erste Mittel, das ich verordnet hatte, durchaus richtig war. Nur war der Stress zu diesem Zeitpunkt noch zu gross gewesen. Und dadurch, dass das Mittel nicht wie gewünscht anschlug, wurde die seelische Belastung für die Besitzer nun wieder grösser, und damit auch für Rösli.

Ich verordnete ein weiteres Mal das erste Mittel und versicherte den Besitzern, dass wir schulmedizinisch handeln würden, sollte es diesmal nicht wirken. Und siehe da: Die Homöopathie half. Denn allein das Wissen, dass es Optionen für Röslis Behandlung gab, beruhigte die Besitzer und gab der Katze die nötige Kraft, um das Mittel wirken zu lassen.



Quelle: weltdertiere.ch
Inken Rehburg arbeitet als Tierhomöopathin und freie Redaktorin.