Mantrailing – Schnüffelnd zum Erfolg

Für Hunde gibt es kaum etwas Schöneres, als schnüffeln zu dürfen! Wenn die «Arbeit» dann auch noch den Menschen begeistert und eine wunderfeine Belohnung am Ende bereitsteht, ist das in etwa so, als wenn wir Menschen von unserem «Traumjob» sprechen, nämlich dann, wenn wir das Hobby zum Beruf gemacht haben.


Text: Ingrid Blum

mantrailing

Ich sitze als Runner unbeweglich im Versteck und lausche ... da, ich höre ein Trippeln, die Blätter des Busches rascheln, es knackt ein Ast und schon sehe ich in zwei strahlende Augen: Gefunden!

Personensuche – Mantrailing

Mantrailing bedeutet die Suche nach einer ganz bestimmten Person. Tatsächlich soll der Hund nur der Spur jenes Menschen folgen, dessen Geruchsartikel er am Start zum Riechen bekommt, andere Gerüche werden quasi ausgeblendet. Sogenannte Trials können durch Parks, Wälder, Siedlungen oder auch durch Stadtgebiet führen. Der Hund läuft dabei immer am Geschirr und an langer Leine. Bei Realeinsätzen werden Hunde der Polizei oder speziell ausgebildete Hundestaffeln aufgeboten, um vermisste Personen, oft demente, verwirrte oder suizidgefährdete Menschen zu finden.

Individuelle Talente

«Bist du sicher, dass sie weiss, was sie machen soll?», fragt mich die Halterin einer kleinen, grauen Hündin, die nicht weitergehen will. Erlernte Hilflosigkeit steht der Hündin im Wege – als Trainerin bin ich gefordert, für sie den geeigneten Aufbau zu finden, die Blockade aufzulösen. Die neue Erfahrung, sich auf seine Sinne verlassen zu dürfen, wird besonders dieser Hündin mit traumatischer Vergangenheit im alltäglichen Leben helfen.

Hunde, die bisher gelernt haben, dass ihnen alles vorgegeben wird und sie das Angesagte ausführen müssen, trauen sich oftmals nicht, selber zu entscheiden. Mit viel Geduld, minimaler Hilfestellung und den richtig vorbereiteten Trials kommen aber auch sie zum Erfolg.

«Riech!» Flüchtig gleitet die Nase des Hundes über den angebotenen Geruchsgegenstand im Plastikbeutel, aufs nächste Hörzeichen hin geht es los. Der griechische Mischling läuft sicher und ruhig durch den Wald, auch durch kleine Bäche, und findet die gesuchte Person problemlos. Ein gekonntes Lächeln am Ende der Spur gehört zu diesem Hund wie sein honigfarbenes Fell. Den Jackpot geniesst er genauso wie die Anerkennung durch die anwesenden Menschen.

Interessanterweise kann auch ein Sichtjäger mit sehr tiefer Nase so konzentriert arbeiten, dass er mit ihr direkt in die liegende gesuchte Person läuft – Pardon für den Stupser! Oder es geht jeweils kurz vor dem Fundort eilig nur noch auf zwei Hinterbeinen vorwärts, fröhlich und ungeduldig, die Vorderpfoten in der Luft.

Besonders spannend zu beobachten sind einige Hütehunde. Ihre TrialArbeit sieht oftmals so aus, als hätte der Hund sich am Boden festgedockt, sehr untypisch. Alles wird ausgeblendet, nur das Ziel zählt, und dies auch bei strömendem Regen, auf Asphalt oder Naturstrasse, Wiese oder Waldboden. Sein Mensch kann sich fast blind führen lassen, darf seinem Hund vertrauen.

Mit hoher Nase wittert manch grosser Jagdhund das Gelände ab, riskiert keinen Schritt zu viel, dann gehts mit klarem Ziel zügig zum Runner ins Versteck.

Mit geschickter EnergieEinteilung möchte die grosse TerrierHündin keine Umwege laufen, sondern direkt querbeet zur gesuchten Person. Dafür wird zu Beginn kaum gelaufen, sondern genau sondiert, woher das Lüftchen ihr die Richtung zum Fundort verrät. Und dann geht es in gemütlichem Schritt, an lockerer Leine zur gesuchten Person, nur bei den letzten paar Metern wechselt der Schritt in den Trab. Der Jackpot wird ruhig und langsam verzehrt.

Viele Retriever freuen sich am Ende der Spur über Mensch und Jackpot gleichermassen. Sie suchen und finden mit tiefer Nase problemlos, wie auf Schienen laufend.

Auch der junge Herdenschutzhund ist begeistert von dieser Aufgabe und setzt sich dem gefundenen Menschen direkt auf den Schoss.

Kleinhunde sind dank ihrer Bodennähe extrem flink. Stolz «wachsen» sie nach erfolgreichem Finden im ganzen Erscheinungsbild ein paar Zentimeter in die Höhe.

Selbstsichere Trailer haben sogar zum Flirten mit entgegenkommenden Hündinnen noch Zeit, bevor es danach zielsicher, und ohne nochmals am Gegenstand zu schnüffeln, auf der Spur weiter bis zum Fundort geht.

Unsichere oder ängstliche Hunde brauchen einen sehr gut durchdachten, motivierenden Aufbau. Sie arbeiten danach sehr gerne, da sie lernen, ihren eigenen Fähigkeiten zu vertrauen, was ihnen Sicherheit gibt. Am Ende der Spur fällt das Belohnungs-Ritual individuell angepasst aus.

Sinnvolle Beschäftigung

Mantrailing ist beinahe für jeden Hund geeignet. Egal ob gross oder klein, jung oder alt, mit oder ohne Handicap – die Nase des Hundes ist immer im Einsatz und beim Trailen wird dieses elementare Bedürfnis optimal gelenkt und befriedigt. Nasenarbeit ist zudem sehr anstrengend, kostet viel Energie, macht gesund müde und glücklich. Bei brachyzephalen Rassen muss die Arbeit sehr gut vorbereitet sein. Das Wetter, der Ausführungsort, Dauer und Länge des Trials sind entscheidend dafür, ob die Freude an der Arbeit anhält.

Vertrauen und Bindung

Für manchen Hundebesitzer wird das Mantrailing zum Schlüssel dafür, seinen Hund besser verstehen und lesen zu können. Da sich der Mensch auf den schnüffelnd führenden Hund verlassen muss, fördert diese Arbeit das Selbstvertrauen des Hundes und stärkt die Bindung zueinander. Durch beobachten der Körpersprache sind die Menschen am Ende der Leine immer wieder begeistert, wie «klar» der Hund mit ihnen kommuniziert. Diese Erkenntnisse helfen auch im Alltag, wenn man gemeinsam unterwegs ist.

Die Nase vorn

Beim Mantrailing darf der Hund die Entscheidungen treffen, denn seine Nase differenziert Gerüche und führt uns somit zum Erfolg. Die Riechschleimhaut eines normal gebauten Hundes ist etwa 160 cm2 gross, die des Menschen im Vergleich etwa 5 cm2. Je nach Hundetyp verfügen sie über mehr als 200 Millionen Riechzellen, beim Menschen sind es etwa 5 bis 7 Millionen. Hunde können also Gerüche in sehr geringen Konzentrationen wahrnehmen und sind uns damit haushoch überlegen. Der Mensch verliert pro Minute ca. 50 Millionen abgestorbene Zellen und verdampft ständig Flüssigkeit. Der spezifische Geruch setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen wie Genetik, Kulturkreis, Lebensgewohnheiten und kann nicht überdeckt oder abgewaschen werden. Bei trockenem Wetter können sich die Partikel weiter verstreuen, als wenn es feucht ist. Bei einem Trail im Regen werden die Partikel fortgeschwemmt, d. h. der Hund wird vielleicht weitere Wege gehen müssen, um die gesuchte Person finden zu können.

Trau dich!

So mancher Hund hat durch Mantrailing lernen dürfen, dass er eine eigene Persönlichkeit ist, die viele Fähigkeiten hat. Emigrierte, misshandelte, aus schlechter Haltung übernommene Hunde oder auch Hunde mit Deprivationssyndrom (entstanden durch reizarme Aufzucht, das Wesen kann mit Umwelteinflüssen nicht umgehen – Kaspar- Hauser-Syndrom) erfahren durch diese Aufgabe viel Positives über sich und andere Menschen. Es spielt durchaus eine Rolle, welcher Hund welche Person sucht. Mantrailing ist nicht nur eine «Arbeit». Das Riechhirn ist direkt mit dem limbischen System verbunden, welches für Emotionen zuständig ist. Der dargebotene Geruchsartikel kann also positive oder negative Gefühle auslösen. So erging es auch der kleinen, grauen Hündin. Sie durfte anfänglich mich suchen, weil sie dazu die Motivation hatte. Heute traut sie sich selber etwas zu, ist im Alltag im Umgang mit Menschen und Artgenossen sicherer geworden und arbeitet freudig auch auf fremden Spuren: Aus der «grauen Maus» ist eine selbstsichere Hündin geworden, die sich ans Licht wagt.

Quelle: Weltdertiere.ch


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Ingrid Blum ist dipl. Hundetrainerin nach T. Rugaas und dipl. tierpsychologische Beraterin I.E.T. mit eigener Hundeschule.