Hundesitting – gut betreut oder ausgeliefert?

Das Geschäft «Hunde-Hütedienst» blüht. Wer seinen Hund, aus welchen Gründen auch immer, nicht ständig selber betreuen kann, braucht jemanden, dem er seinen Liebling zeitweise – guten Gewissens – anvertrauen kann. Was jedoch offen oder hinter geschlossener Tür passieren kann und worauf Sie achten müssen, wird hier genauer beleuchtet.


Text: Ingrid Blum

hundesitting

Und tschüss ... So fährt man am frühen Mogen zur «HuTa», lädt den Hund bei der freundlichen Frau ab und geht seines Weges. Im guten Glauben, dass der Hund gerne an diesem Ort verbleibt, lässt man die Tür ins Schloss fallen.

Ungeahnt

Die junge Mutter holt kräftig aus, ihr Tritt sitzt perfekt im Unterbauch der Labradorhündin. Diese jault auf, dafür bekommt sie gleich noch das Ende der Leine über den Kopf gezogen, nun winselt sie leise. Daneben steht das Kind der Frau, sieht zu, wie seine Mutter mit der Hündin umgeht. Doch noch jemand sieht zu. Als die ältere Hundehalterin bei der jungen Frau ankommt, stellt sie diese zur Rede und streichelt tröstend den gepeinigten Hund. Das gehe sie ja überhaupt nichts an, meint die rabiate Frau. Und weiter: «Der Hund soll gefälligst folgen, es ist nicht meiner, ich hüte den ja nur!» Warum die Labrador-Besitzer ihrem Hund nicht anmerken, ob er gerne in die Tagesstätte geht oder nicht, bleibt ein trauriges Geheimnis.

Wehe, wenn sie losgelassen

Die Türen des Transporters werden geöffnet: Raus springen zehn Hunde unterschiedlicher Rassen und Mischungen, welche jetzt die Freiheit auskosten dürfen. Doch wo ist der zuständige «Hüter»? Aha, hängt am Handy, gestikuliert, geht der Meute hinterher, hat alles im Griff. Die Häufchen aufnehmen und dann noch auf die Vierbeiner achten ist easy. Aber ja, die machen das schon untereinander aus, auch wenn ein fremder Hund entgegenkommt. Man gibt sich betont lässig, hat kein Problem, ist cool drauf. Nach dem Freigang wieder zurück zum Auto, Abfahrt. Beim Wiedereinstiegen sind es allerdings nur neun Hunde. Der Vergessene macht sich auf seinen eigenen Heimweg, kreuzt diverse Strassen, Tunnels, wird zu Tode gefahren. Alles ganz uncool! Ob der Besitzer des Hundes es sich je verzeihen wird, dass er seinen Liebling dort anvertraut hat?

Foto-Session

An jeder Hand drei kurze Leinen mit Halsschlaufe ohne Stopp auf Zug, die dazugehörenden Hunde nach Luft ringend eng aneinander gedrückt, so bewegen sich zwei junge Frauen langsam mit den Vierbeinern vom Auto weg. Wer muckst, bekommt einen Tritt auf die Pfoten oder die Ohren werden kurz umgedreht; wer dann noch schreit, kriegt das Knie zu spüren, wird angezischt oder erleidet einen zügigen Leinenruck. Am breiten Flussufer bläst Bise bei Minustemperaturen. Über eineinhalb Stunden wird nun «Sitz» und «Platz» befohlen. Ein bis zwei Hunde dürfen sich bewegen, sollen das Balli im Schnee suchen. Diese «Aktivitäten» werden fotografiert. Verkaufsstrategie sind Bilder, die lieblich falsch kommentiert werden und der Kunde den Bildlegenden schmunzelnd Glauben schenkt. So ist beweisbar, dass man draussen war und die Hunde nach so viel Spass und Action, sprich Auslastung, nun «glücklich» müde sind.

Wer sich nicht fügt

Alle zehn Hunde laufen frei, zwei davon machen sich vom Acker, sehen einen fremden Hund. Zurückkommen war gestern. Doch dann sind sie wieder da, werden sofort am Hals gepackt, auf den Rücken gedrückt, angeschrien. Der verfolgte Hund trägt Bisswunden davon.

Die Lektion, an kurzer Würgeleine im schnellen Schritt hin- und her-, vor- und zurückgegängelt werden, lernt derjenige, der Mühe mit der Enge beim gemeinsamen Leinenlaufen bekundet. Die jaulenden Laute des Gepeinigten verraten angewandte Gewalt. Fragt sich, ob die «professionellen» Hundebetreuer das geltende Tierschutzgesetz in der Schweiz kennen? Und falls ja, warum sie es nicht befolgen?

Familiär

«Nein, so läuft es bei mir nicht. Mein eigener Hund soll sich mit den Gasthunden gut verstehen. Alle dürfen sich wie zu Hause fühlen, frei mit mir im Haus leben, darum nehme ich nur wenige Hunde», sagt die Frau. Klingt gut. Man macht einen Termin zum Kennenlernen ab. Beim Eintreten hört man winseln, heulen und bellen. Zu viele Hunde sind gerade anwesend. Die einen sind angebunden, essen und schlafen auch so, die anderen sind ein- oder ausgesperrt.

Wie zuhause fühlen

Grundsätzlich wünscht jeder, der seinen Hund in fremde Hände geben muss, eine gute Betreuung. Das bedeutet, dass der Hund zwar für eine Zeit auf den vertrauten Menschen verzichten muss, er sich aber sonst genauso gut fühlen soll wie zu Hause. Wohl fühlen heisst, dass man angenehm Gewohntes dort wieder findet, wo man fremd ist. So sollte z.B. das vertraute Brustgeschirr nicht gegen eine Würgeleine getauscht werden, nur weil die Betreuerin unfähig ist, Hunde am Brustgeschirr zu führen. Auch sollten Hunde nicht angebunden oder weggesperrt  werden, nur weil die Person mit der Situation überfordert ist. Hunde in Angst und Schrecken zu versetzen, ihnen Schmerzen zufügen und sie misshandeln ist nach Tierschutzverordnung verboten. Fragt sich nur, wer die offensichtlichen Vergehen bestraft und die Hunde schützt, wie es das Gesetz beschreibt?

Er weiss es

Der eigene Hund weiss, wer ihn an einen gewaltvollen Ort ausliefert. Es schadet dem Vertrauensverhältnis zwischen Mensch und Hund enorm. Um Hunde in geringer Zahl zu betreuen, braucht es keine Ausbildung. So kann sich ein Tagesplatz mit herzlicher Betreuung durch eine Hunde liebende Person oftmals besser bewähren, als wenn der Hund von «Fachleuten» beaufsichtigt wird.

Wie erkennen

Im Angebots-Dschungel ist der geeignete Platz schwer zu finden. Oft werden Empfehlungen von Mund zu Mund gemacht. Ob dies dann für den eigenen Hund auch passt, muss vor Ort gespürt werden. Am besten vereinbart man vorab einen Spaziergang mit der Betreuung. Dem geschulten Auge zeigt sich sehr rasch, wie die Person mit Hunden umgeht und wie sie auf den eigenen Hund wirkt. Dazu muss man wissen, wie der eigene Hund zeigt, dass er sich freut. Glaubt man, dass Schwanzwedeln Freude bedeutet, dann hat man nicht verstanden, dass Schwanzwedeln lediglich eine Ausdrucksform innerer Erregung ist. Welche Emotion dahintersteckt, ist der Punkt.

Viele Artgenossen am Betreuungsplatz sind nicht unbedingt positiv zu werten. So kann der Neuling auch zum Mobbing-Opfer oder Prügelknaben werden. Die wenigsten Menschen können wirkliches Spiel unter Hunden erkennen. Leider.

Augen auf

Wir tragen die Verantwortung für unseren vierbeinigen Freund. Es liegt also auch in unserem Ermessen, abzuschätzen, ob unser Hund gewaltfrei und freundlich betreut wird.

Gewalt macht Angst. Respekt darf nicht Angst auslösen. Respekt und Vertrauen muss man sich mental erarbeiten; dies kann man leider nicht von jedem, der Hunde betreut, erwarten.

Rechtliches

Hundesitting ist dann gewerbsmässig, wenn ein Einkommen oder ein Gewinn erzielt wird oder zumindest die Unkosten gedeckt sind. Der Sachkundenachweis für die Hundehaltung ist als theoretische sowie praktische Ausbildung erforderlich. Für den Betrieb eines Hundehorts bis zu 19 Pflegeplätze ist eine  fachspezifische, berufsunabhängige Ausbildung erforderlich (Tierpfleger light). Während der Hundebetreuung wird der Sitter zum Tierhalter, womit die Haftung für Schäden auf ihn übergeht. Eine Privat- bzw. Betriebshaftpflichtversicherung sowie schriftliche Verträge betreffend Haftung sind unbedingt für Tierhalter und Tiersitter zu empfehlen.

Weitere Informationen auf www.tierimrecht.org


Quelle: weltdertiere.ch
Ingrid Blum ist dipl. Hundetrainerin nach T. Rugaas und dipl. tierpsychologische Beraterin I.E.T. mit eigener Hundeschule, www.hundeschule-fee.ch.