Fragen und Antworten zum Thema Hund und Erziehung

Interview mit Richard Fontana, ausgebildeter Kynopädagoge.




Richard Fontana ist ausgebildeter Kynopädagoge, Leiter von Fontanas Dogworld in Döttingen (AG) sowie Autor des praktischen Ratgebers «Auf den Hund gekommen. Der Grundstein für ein besseres Verständnis Ihrem und anderen Hunden gegenüber.»

Petfinder: Ich möchte einen Hund aus einem Tierheim. Nach welchen Kriterien suche ich mir ein Tierheim aus?
Richard Fontana: Achten Sie zuerst auf die Haltung. Sind die Boxen oder Zwingeranlagen sauber und gross genug? Haben die Tiere Freilauf? Werden sie spazieren geführt? Berichtet man ehrlich über die Geschichte des Tieres oder glauben Sie, es werde alles geschönt? Interessiert sich die Pflegerin/der Pfleger überhaupt für das neue Zuhause seines Schützlings oder haben Sie den Eindruck, er möchte das Tier so schnell wie möglich loswerden? Und ganz wichtig: Wird Ihnen eine Probezeit im Idealfall von einem Monat gewährt? Falls diese Punkte alle für Sie aufgehen und Ihnen das Tier sehr zusagt, dann sagen Sie ja zu Ihrem neuen Freund.

Weshalb eine Probezeit?
Praktisch jeder Hund verhält sich in einem neuen Zuhause anfangs sehr folgsam, ist das grösste Schätzeli bis er sich so richtig daheim und sicher fühlt. Diese Eingewöhnungszeit dauert ca. einen Monat. Es kann durchaus sein, dass der Hund nach dieser Zeit eine ganz andere Seite von sich zeigt. Sie haben dann die Möglichkeit, dies zu akzeptieren oder eben den Hund dem Tierheim wieder zurück zu geben.

Ich kann meinen Hund aus diversen Gründen nicht mehr halten. Nach welchen Kriterien suche ich mir ein geeignetes Tierheim aus?
Wie schon erwähnt, ist es wichtig, wie die Tiere gehalten werden. Am besten ist natürlich immer noch, wenn Sie Ihr Tier direkt an jemanden weitervermitteln können ohne «Zwischenstation Tierheim».

Was muss ich beachten, wenn ich einen Hund von privat kaufen möchte?
Fragen Sie zuerst nach dem Grund, weshalb das Tier weg muss. Beachten Sie zudem, wie der Halter mit seinem Tier umgeht. Lassen Sie ihn zwei/drei einfache Befehle geben. Schauen Sie, wie er ihn streichelt oder mit ihm spielt. Wenn der Hund gehorcht und Sie das Gefühl haben, die beiden sind ein gutes Team, dann ist schon viel Boden gut gemacht. Ein ärztliches Attest wäre auch nicht schlecht. Und auch hier gilt: Können Sie den Hund zurückgeben, sollte es mit Ihnen beiden nicht klappen?

Braucht es eine Schulung für den Welpen?
Auf jeden Fall. Der Welpe muss schon sehr früh geprägt werden, damit er in der Gesellschaft akzeptiert wird und Sie ihm klar vermitteln, wer das Sagen hat. Das hat nichts mit Herumkommandieren zu tun, sondern einfach nur mit einer guten Kinderstube. Der kleine Racker muss wissen, was er darf und was nicht. Und er wird geistig gefordert. Anderseits lernt der Hundeführer, was das Wesen eines Hundes, resp. seines Hundes ist und was er braucht. Das ist sehr wesentlich.

Was wird einem Welpen gelehrt?
Wie gesagt, in erster Linie wird er auf Mensch und Umwelt geprägt. Er lernt soziales Verhalten und ein anständiger Begleiter zu sein. Je besser die Beziehung zu seinem Halter ist, desto grösser ist der Lernerfolg. Aber wie überall stellt sich auch hier ohne konsequentes und regelmässiges Training kein oder nur mässiger Erfolg ein. Ja, und der Hund muss wissen, wo sein Platz beim Halter ist. Bestimmt nicht zwei Meter entfernt, sondern so nah wie möglich.

Was wird einem älteren Hund gelehrt?
Guter Gehorsam. Sie möchten ja nicht, dass er jeden Jogger oder Velofahrer anspringt. Das ist sehr unangenehm selbst für Leute, die gar nichts gegen Hunde haben und kann Ihnen im Ernstfall sogar eine Anzeige einbringen. Auch lernt der Hund an lockerer Leine bei Fuss zu laufen, ohne Leine zu laufen und aus jeder Situation abrufbar zu sein. Dazu muss er die Position Platz ganz genau kennen, damit Sie rechtzeitig den sogenannten Triebabbruch veranlassen können. Rennt der Hund zum Beispiel einer Katze nach, ist er ausser sich. Folgt nur noch seinem Trieb. Mit einem gezielten Platz holen Sie ihn schon mal ein Stück weit runter und können ihn so besser zurückhalten. Auf jeden Fall muss auf die Bedürfnisse des Halters eingegangen werden. Was dem einen wichtig ist, ist dem anderen vielleicht völlig egal. Also: Miteinander reden ist sehr wichtig.

Nach welchen Kriterien suche ich mir eine gute Hundeschule aus?
Nun, da sind viele Dinge zu beachten. Lassen Sie mich einige Punkte aufzählen. Wie ist der Trainer grundsätzlich zu Hunden eingestellt? Wie ist sein Fachwissen? Hat er eine solide Ausbildung oder betreibt er die Schulung so nebenbei als Hobby? Verdient seine Trainingsanlage diese Bezeichnung? Gewährt er Ihnen eine Probestunde? Geht er auf Ihre Bedürfnisse ein oder zieht er einfach sein Ding durch? Bei letzterem gilt: Weitersuchen! Und: Kann er mir meine Fragen beantworten?

Was meinen Sie mit Fragen beantworten?
Sie möchten Ihrem Hund etwas beibringen und der Trainer meint, das sei unnötig. Dann geht er nicht auf Ihre Bedürfnisse ein. Und das ist nicht gut. Oder Sie haben während der Schulung eine Frage nach dem Sinn einer bestimmten Übung und Sie erhalten keine befriedigende Antwort oder so etwas wie «Das macht man halt so». Dann Tschüss!

Können Sie mir etwas über die häufigsten Verhaltensstörungen bei Hunden sagen. Und wie man diese «Macken» wegtrainieren oder zumindest entschärfen kann?
Grundsätzlich kann man alle Macken wegtrainieren. Vorausgesetzt, es liegt kein medizinisches Problem vor und der Hundehalter ist überhaupt gewillt dazu. Wissen Sie, die meisten Verhaltensauffälligkeiten sind immer abhängig vom Menschen. Ich hatte auch schon Leute bei mir in der Schule, die von der Gemeinde verpflichtet wurden, einen Kurs zu besuchen, weil sich jemand bei der Polizei beschwert hat. Das ist natürlich sehr schwierig für jeden Trainer. Die Hundehalter machen ja nur widerwillig mit und stellen sich oft quer. Aber sonst, wenn der Halter wirklich gewillt ist, dann sind die Chancen auf Erfolg sehr gross.

Angenommen, ein bislang problemloser Hund entwickelt plötzlich Mödeli. Woran kann das liegen?
Das sind immer erlebnisbedingte Ursachen. Ein Unfall beispielsweise kann sehr traumatisch wirken. Oder eine Veränderung in der Halterfamilie wie die Ankunft eines Babys oder eine Trennung verunsichert den Hund.

Was raten Sie Menschen, die trotz aller Liebe und Schulung nicht mir ihrem Vierbeiner klarkommen?
Da stelle ich erst mal einige Fragen. Ich will wissen, ob der Hundehalter wirklich regelmässig mit seinem Tier trainiert hat. Ich frage nach der Erziehungsmethode der besuchten Hundeschule. Ich erkundige mich, ob er in den Befehlen, die er seinem Hund geben muss, überhaupt einen Sinn sieht. Und ich schaue mir den Menschen, der vor mir steht, sehr genau an. Vielfach kommt so schon in kurzer Zeit zu Tage, «wo der Hund begraben liegt». Und dann erst geht's an die Arbeit.

Wie lange dauern die entsprechenden Ausbildungen und was kosten sie so grob über den Daumen gepeilt?
Aufgrund der unterschiedlichen Entwicklungsphasen eines Welpen müssen Sie schon so ein- bis eineinhalb Jahre rechnen. Die Dauer ist aber auch abhängig vom Halter resp. seiner Trainingsdisziplin ausserhalb der Kurse. Bei mir sieht der Kostenfaktor so aus: Im Gruppenunterricht kostet eine Lektion 25 Franken. Der Einzelunterricht 85 Franken. Das liegt so im Mittelfeld. Eine Lektion dauert eineinhalb Stunden. Geschult wird normalerweise einmal wöchentlich.

Gibt es Hunderassen, die besser oder weniger gut auf Ausbildung und Erziehung ansprechen?
Ja, klar kommen rassenspezifische Eigenheiten zum Tragen. Aber das ist ein Thema für sich und würde den Rahmen dieses Gesprächs sprengen.

OK. Nächste Frage. Wie wird man überhaupt Hundetrainer? Existiert hier die Möglichkeit eines eidgenössischen Abschlusses?
Leider gibt es keine staatlichen Richtlinien. Das ist schade. Ich bin zwar nicht dafür, dass man alles verreglementiert, aber gerade bei Hundeaussbildungen täte man gut daran.

Aber eben, was braucht es denn?
Ein guter Hundetrainer muss Hunde lieben! Das tönt vielleicht etwas seltsam, aber ich meine es Ernst. Bedinungslose Liebe und zwar zu allen Hunderassen. Es gibt gute, seriöse Grundausbildungen. Aber das ist nur der Anfang. Man lernt über Jahre hinweg immer neue Verhaltensweisen kennen. Man schärft seine Sinne intensiv. Man muss ein guter Beobachter und Zuhörer sein. Lernen, lernen, lernen heisst die Devise. Dabei nützt alles Wissen nichts, wenn man es nicht rüberbringen kann. Schauen Sie, Sie könnten wirklich alles über Hunde und deren Erziehung wissen, verfügen aber über geringe oder gar keine kommunikativen Fähigkeiten, dann bringt das nichts! Gar nichts!

Welche Rassen eignen sich besonders für Familien?
Ouuuh! Es gibt sehr viele Rassen, die sich eignen. Kommt halt immer darauf an, wer für den Hund in erster Linie verantwortlich ist, wie alt die Kinder sind, wie die Familie lebt und was man vom Hund erwartet.

Welche Rassen eignen sich für Berufstätige?
Hier spielt der Zeitfaktor generell eine Rolle. Wer den Hund den ganzen Tag zu Hause lassen muss, weil er ihn nicht mit ins Büro nehmen kann, dem ist vom Halten eines Hundes eher abzuraten. Ein Gespräch mit einem Tierheimbesitzer oder Hundetrainer hilft weiter.

Was empfehlen Sie älteren, nicht mehr ganz so fitten Menschen, die sich einen Hund wünschen?
Bestimmt keine allzu grossen und schweren Rassen. Auch von solchen mit extremem Bewegungsdrang ist abzuraten. Empfehlenswert ist bestimmt ein nicht mehr ganz junger Hund.

Dann kann man sagen, das ein persönliches Gespräch mit einem Hundekenner vor jedem Kauf angezeigt ist.
Auf jeden Fall. Denn man möchte mit seinem neuen Hund ja eine glückliche Beziehung aufbauen. Ein Graus sind mir Menschen, die sich Modehunde zulegen ohne die geringste Ahnung, ob das Tier zu ihnen passt oder nicht.

Zum Schluss noch die unvermeidliche Frage nach Hunderassen, welche für die herkömmliche Haltung definitiv ungeeignet sind.
Bestimmt Windhunde mit ihrem extremen Bewegungsdrang. Die gehören auf die Bahn. Oder zu jemandem, der sechs Stunden am Tag Zeit für ausgedehnte Spaziergänge hat. Oder Schlittenhunde. Das sind extreme Rudeltiere und nicht für die Einzelhaltung gedacht. Zudem sind sie schwierig zu erziehen. Sie sind gute Jäger und schwer zurückzuhalten. Letzteres gilt auch für Jagdjunde. Dann sind da noch Herdenschutzhunde. Erstens sind diese Tiere meist riesig und sehr haarig. Sie sind sozuagen ihr eigener Chef, denn ihr Job ist, die Herde zu bewachen. Das haben sie gelernt. Der lässt sich nicht so leicht dreinreden. Ach ja, und Hütehunde. Ihre eigentliche Aufgabe ist es, die Herde zusammen zu halten oder eben zusammen zu treiben und auf diese aufzupassen. Das ist in den Genen. Es kann also durchaus sein, dass wenn sich von einer Gruppe Menschen einer entfernen möchte, der Hund auf seine Aufgabe pocht und diese Person wieder zur Gruppe zurück treiben möchte! Das hört sich lustig an, ist aber obermühsam.

Herzlichen Dank für Ihre Ausführungen.
Das Gespräch führte ein Mitglied der Petfinder-Redaktion.



Quelle: petfinder.ch