Am Anfang war die Katze


Die Katze kam vor rund 10 000 Jahren auf samtenen Pfoten aus der Wildnis. Beharrlich und mit vielen lieblichen Miaus hat sie die ganze Welt erobert. Und nebenbei den Menschen domestiziert.


Text: Helen Weiss

Die afrikanische Wildkatze, die sogenannte Falbkatze, ist die Urahnin unserer heutigen Hauskatze.

«Die Katze ist das einzige vierbeinige Tier, das dem Menschen eingeredet hat, es müsse es versorgen, ohne dass es selbst dafür etwas tun muss.» Dieses Zitat des deutschen Journalisten und Schriftstellers Kurt Tucholsky beschreibt ziemlich passend, wie die Domestikation der Katze abgelaufen ist. Während der Hund als Jagdgehilfe, Bewacher und Beschützer bereits im Jungpaläolithikum schuftete wie ein Verrückter, übte sich die Katze währenddessen in vornehmer Zurückhaltung. Die frühen Menschen – dauernd unterwegs und auf der Suche nach neuen Jagdgründen – waren für die reviertreue Wildkatze wahrscheinlich nur ein vorüberziehendes Übel.

Erst in der Jungsteinzeit wurde der Mensch für die Katze interessant. Denn anders als der Hund wartete das kleine Raubtier mit seiner Annäherung, bis die Jäger und Sammler das Feuer beherrschten und sesshaft wurden. Der erste Kontakt fand jedoch nicht – wie oft behauptet – vor 3000 Jahren im alten Ägypten statt: Der älteste Fund einer zahmen Katze ist 10 000 Jahre alt und stammt aus Zypern, wo in einer Grabstätte neben den Knochen eines Menschen auch jene einer Falbkatze (Felis silvestris lybica) entdeckt wurden. Besonders interessant daran ist der Umstand, dass auf Zypern gar keine Wildkatzen lebten. Weitere, rund 2000 Jahre jüngere Funde im iranischen Deh Luran sowie in Jericho (Israel) weisen ebenfalls auf bereits gezähmte Katzen ausserhalb Ägyptens hin.

Erfolgreiche Mäusejägerin

Wie immer sind solche Fakten abhängig von den Funden: Es kann gut sein, dass in einer noch unbekannten Ausgrabungsstätte neue Erkenntnisse schlummern. Ziemlich wahrscheinlich ist jedoch, dass die Katze in einer Art «Selbstdomestikation» die Welt des Menschen betrat. «Eigentlich erweiterte sie ganz einfach ihr Jagdrevier, denn in den Getreidespeichern und Scheunen der sesshaften Menschen wimmelte es von Mäusen und Ratten», erzählt der Schweizer Katzenexperte Dennis C. Turner. «Die Katze fand damit eine attraktive, räumlich konzentrierte Beutequelle.»

Ihre Karriere beginnt sie als erfolgreiche Mäusejägerin: Kein anderes Haustier beherrscht die Technik des Lauerns, des schnellen Zugriffs und Tötens wie die Katze. Die Jungsteinzeitler schätzten sie dafür: «Der Mensch ergänzte die Jagdbeute zusätzlich mit Milchgaben oder Essensresten», weiss Turner. Vermutlich boten die Menschen damals den Katzen dieses Futter als Belohnung an, um sie zum Bleiben zu bewegen. «Es fand damals also keine eigentliche Domestikation statt, sondern vielmehr eine Zähmung», sagt Turner.

Menschenbezogene Rassekatzen

Denn Domestizierung beinhaltet immer auch, dass der Mensch seine Tiere in Bezug auf gewisse Nutzungen optimieren will. Das heisst, es werden bestimmte Eigenschaften herausgezüchtet, indem ganz gezielt bestimmte Individuen miteinander verpaart werden. Bei der Katze ging das jedoch nicht so einfach wie bei Schaf, Rind oder Hund: Die freiheitsliebende Samtpfote suchte sich «ihren» Kater lieber nach ihrem Gusto aus und entzog sich so der gezielten Zucht und somit der Domestikation während langer Zeit. Turner: «Dadurch hat die Katze ihre Ursprünglichkeit auch weitgehend bewahrt.»

Fest steht, dass man erst mit der Rassekatzenzucht im eigentlichen Sinne, das heisst seit etwa 150 Jahren, von einer wirklichen Domestikation der Katze sprechen kann. Seit dieser Zeit lassen sich auch einige der üblichen Folgen der Domestikation bei der Katze feststellen: Hierzu zählen etwa die Erweiterung der vorkommenden Fellfarben, Verlust oder Verminderung natürlicher Verhaltensweisen und Veränderungen des Typs. Laut Turner unterscheidet sich die Rassekatze, die gezielt gezüchtet wird, deutlich von der Hauskatze: «Meine eigenen Studien zeigen, dass die Rassekatze, wahrscheinlich zum Teil auch aufgrund ihrer Aufzuchtbedingungen und der Haltung als reine Wohnungskatze, menschbezogener ist.» Die Hauskatzen hätten aber die Nase vorn bei Eigenschaften wie Unabhängigkeit und Eigenständigkeit. «Also Eigenschaften, die von den meisten Katzenliebhaberinnen und -liebhabern oft am meisten geschätzt werden.»

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Der Mensch liebt die Katze, füttert sie, überhäuft sie mit Zuwendung und gibt ihr ein Zuhause. Doch selbst die treuste Katze kann schon mal grusslos für immer verschwinden.


Feines Näschen für Pheromone

Doch nicht nur die Rassekatze, sondern auch die Hauskatze veränderte sich durch das Zusammenleben mit dem Menschen. «Generell zeigen die heutigen Hauskatzen im Gegensatz zu Wildkatzen kleinere Fluchtdistanzen», sagt Turner. Zudem seien mit den Jahrtausenden auch ohne gezielte Zucht eine grössere Vielfalt punkto Fellfarbe und -eigenschaften entstanden. «Das Jagd- und das Paarungsverhalten sind jedoch gleich geblieben», so der Katzenexperte. Die gezähmten Samtpfoten haben zudem noch immer ein feines Näschen für Pheromone, wichtige Botenstoffe für innerartliche soziale Kommunikation. Auch die Körpersprache ist dieselbe geblieben, mit einer Ausnahme: «Der typische aufgestellte Schwanz als Begrüssung ist nur bei der domestizierten Katze zu beobachten.»

Kult und Verteufelung

Trotz der langen Domestikationsgeschichte haben sich Hauskatzen ein hohes Mass an Selbständigkeit bewahrt und sind noch heute – im Gegensatz etwa zu Hunden – nicht zwingend an den Menschen gebunden. Dies hängt mit den unterschiedlichen Verhaltensweisen zusammen, wie Turner weiss: «Während der Hund von soziallebenden Wölfen abstammt, ist die Falbkatze, also die Urahnin der Hauskatze, eine Einzelgängerin, die nur zur Paarung Artgenossen sucht.» Hauskatzen seien jedoch dank des Einflusses des Menschen deutlich sozialer geworden – sowohl ihren Artgenossen als auch dem Menschen gegenüber. «Das Vertrauen zum Menschen basiert jedoch immer auf den Erfahrungen im Welpenalter, also während der Sozialisationsphase», so Turner.

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Die Katze verfügt über einen unvergleichlichen Charme: Beharrlich und mit vielen lieblichen Miaus hat sie die ganze Welt erobert.

Fest steht, dass die Katze von allen Haustieren den Menschen am meisten bewegt und auch am stärksten polarisiert: In der altägyptischen Kultur hatte die Katze eine hohe Bedeutung und es entwickelte sich eine kultische Verehrung. Im spätmittelalterlichen Europa wiederum wurde sie zum dämonischen Wesen stigmatisiert. Turner: «Es ist ihre Unabhängigkeit und Unkontrollierbarkeit, welche uns Menschen fasziniert. Und der Umstand, dass sich die Katze uns freiwillig angeschlossen hat, übt einen nicht zu unterschätzenden Reiz auf uns aus.»


Quelle: weltdertiere.ch
© Helen Weiss ist freie Journalistin und arbeitet im Pressebüro Kohlenberg, Basel.